Federspiel (Brass Ensemble) » Biografie, Fotos und Konzerte

Federspiel

Brass Ensemble

Die Atmosphäre vor dem Konzert schwankt zwischen Lockerheit und gespannter Erwartung: Was kommt denn da wohl auf einen zu im Münchner Prinzregententheater? Das Publikum ist sehr gemischt. Jüngere Leute, offensichtlich Fans, kommen leger daher. Jeans und Turnschuhe sind keine Seltenheit. Aber auch das »ernste« Publikum ist da, in Dreiteiler und Abendgarderobe. Klar, denn das hier ist ein Tempel der Hochkultur. Hier wurde schliesslich beispielsweise am 11. August 1957 »Die Harmonie der Welt« von Paul Hindemith uraufgeführt. Das aber ist über 60 Jahre her. Heute spielt Federspiel.

Der Veranstalter kündigt die sieben Österreicher im Vorfeld mit «Alpine World Brass» an. «Was ist das?», fragt man reflexartig. Federspiel hat es im vergangenen Jahr auf die Bestenliste des «Preises der deutschen Schallplattenkritik» geschafft. Die Kategorie: «Grenzgänge & Traditionelle ethnische Musik». Irgendwas mit «Crossover», schwant einem Böses. Was immer das sein mag. Denn auch unter diesem Etikett kann man sich schier alles vorstellen. Oder nichts. Allerlei Instrumentarium liegt bereits auf der Bühne. Klarinette, Trompete, Flügelhorn, Basstrompete, Posaune, Tuba. Dann kommt das Septett auf die Bühne. Man denkt spontan an Mnozil Brass. Doch das hier ist, soviel sei vorweggenommen, anders. Es ist schon recht eigen. Eigenartig, ja eigenwillig. Beim ersten Titel übt sich das Publikum noch in Zurückhaltung. Spätestens nach der Ansage zum zweiten Stück taut es auf. Am Ende wird es sich zu Standing Ovations hinreissen lassen. Die Musiker scheinen fast gerührt ob der Anerkennung, die ihnen widerfährt. Aber was ist das dann jetzt? Federspiels Wurzeln liegen definitiv und unüberhörbar in der österreichischen Volksmusik. Doch da bleiben die sieben Musiker nicht stecken. Grenzen werden lustvoll überschritten, immer mit Respekt. Niemals biedert man sich irgendeinem Stil oder Genre an. Und es wird munter gemischt. Gstanzl, Dudler, Landler, Polka, Walzer, Csárdás – das volle Programm. Und die nehmen die Österreicher mit nach Skandinavien, nach Ungarn, nach Mexiko, nach New York City. Wer entscheidet eigentlich, was da zusammenpasst und was nicht? Alles geht irgendwie. Da werden Blech und Holz gemischt mit Zitherklängen, Wasserbecken und sogar Spieldose. Da wird gejodelt, gesungen und gelacht. Ja, das ist eigen. Eigenartig, eigenwillig. Das ist Federspiel. Humor ist eine immens wichtige Zutat im Federspiel-Kosmos. Diese durchzieht die Musik – oft augenzwinkernd, aber trotzdem mit dem nötigen Ernst gespielt. Gescherzt wird vor allem in den Ansagen. Über die politische Lage in Österreich, die bayerisch-österreichischen Beziehungen und am allermeisten über sich selbst. Der Posaunist Thomas Winalek trete auf «wie einem Herrenbekleidungskatalog der 1980er Jahre entsprungen», der einzige Holzbläser Frédéric Alvarado-Dupuy «hat es so schwer mit uns wie wir mit ihm». Und der Trompeter Ayac Iuan Jiménez-Salvador, dessen Vorfahren mittelamerikanische Wurzeln haben, schwadroniert über seine Integrationserfolge: «Mein zweites gesprochenes Wort war ‹Knackwurscht›…» Der Humor ist ein anderer als ihn Mnozil Brass zelebriert. Weniger Slapstick, mehr Kabarett. Gemeinsam ist den Ensembles die Anzahl der Musiker, der Heimathafen Wien und das Agieren als «Gesamtkunstwerk». Mehr nicht. Federspiel ist eine Liveband. Die Tonträger wird man nach einem erlebten Konzert definitiv mit anderen Ohren hören. Auch darüber haben wir uns mit dem Klarinettisten Frédéric Alvarado-Dupuy und Simon Zöchbauer (Trompete, Zither, Gesang) im Anschluss an das Konzert unterhalten. Die musikalischen Wurzeln der sieben Musiker liegen «irgendwo» in der österreichischen Volksmusik. Die Federspieler kommen aus der Wachau, der Gegend um Krems, aus Wien. Das ist ihre Heimat. Die Frage drängt sich auf: Was bedeutet ihnen Heimat? Ist die österreichische Volksmusik eine Art Anker, an dem sie sich festhalten? Man merkt, dass dies nicht unbedingt die üblichen Gedanken sind, die das Septett umkreisen. Frédéric Alvarado-Dupuy zuckt mit den Schultern: «Vielleicht schon. Wir bauen aber auf jeden Fall auf diese Musik auf – denn die kennen wir ja.»

«Wir benutzen den Heimatbegriff variabel», findet Simon Zöchbauer. «Natürlich kann man in einer gewissen Region oder meinetwegen auch in einem Land eine Heimat finden. Ich glaube aber auch, dass man ‹Heimat› abstrakter sehen kann. Man kann sich mit Personen heimatverbunden fühlen, man kann sich im Ausland heimisch fühlen. Ich würde das nicht auf Länder oder Grenzen definieren.» Hinzu komme noch, findet Alvarado-Dupuy, dass Heimat bisweilen politisch behaftet sei. «Ganz ehrlich: So viele Gedanken mache ich mir da gar nicht. In die Volksmusik sind wir ja mehr oder weniger reingestolpert. Und zwar wegen der Musik. Natürlich spielt Tradition eine Rolle, aber wir haben als 14/15-Jährige nicht hinterfragt, ob das altbacken ist, konservativ, hochpolitisch oder gar rechts. Wir haben einfach gemacht!»

Und doch scheint das bewusste Überschreiten von Grenzen auch eine – möglicherweise eine unbewusste – Neudefinition eines Heimatbegriffs zu sein. Einen konservativen Ansatz verfolgen die Musiker sicher nicht. Der Fortschritt steht oben auf der Agenda. Zöchbauer: «Aber es fügt sich von alleine. Es ergibt sich und es fühlt sich gut an. Und es fühlt sich richtig an. Das Erweitern, Umbauen und Verändern entsteht aus der Notwendigkeit in der Musik heraus bzw. aus unserem Zugang. Und dann nimmt das seinen Lauf…» Exakt planen kann man es vermutlich nicht, doch trotzdem ist Federspiel nicht «einfach so» passiert, aus Zufall, Jux und Dollerei. «Wir hatten natürlich das Glück, dass wir Eltern haben, die uns das damals eingestanden haben», erzählt Zöchbauer lachend. «Ziehvater» und Impulsgeber war Rudi Pietsch, Mastermind der österreichischen Volksmusik. Der nämlich hat Federspiel von Anfang an begleitet und «uns unter seine Fittiche genommen – diese pubertierenden Wahnsinnigen». Vor allem aber habe Pietsch die pubertäre Energie gebündelt, als er den Musikern Volksmusik gezeigt hat. «Er hat uns den Zugang gezeigt, den wir uns erhalten haben. Wir suchen nicht das Parfümierte, wie es in der Volksmusik oft vorkommt – das ist dann eher die volkstümliche Richtung, der Schlager. Wir suchen das Wahrhaftige in dieser Musik! Und auf diesen Weg hat uns Rudi Pietsch geschickt.» Dass Federspiel sechs Blechbläser und einen Klarinettisten vereint, war auch ein bewusster Zug von Rudi Pietsch. Die Klarinette bringt eine gewisse Note rein, eine Klangfarbe, die das Ensemblespiel individuell macht, eigen und beweglich. Und tatsächlich hebt die Klarinette das monochrome Blechspiel etwas auf, bereichert es. «Blech allein klingt ja schon wunderbar im Satz», schwärmt der Trompeter, «aber dieser Spritzer Zitrone…!» Und nicht zuletzt ist die Klarinette auch eine instrumentale Abgrenzung zu Mnozil Brass. Denn auch die sind Bläser, sind sieben Leute. «Es wird immer den Vergleich geben», weiss Frédéric. Doch Mnozil Brass spielt eine Generation über Federspiel und – vielleicht noch – in einer anderen Liga. «Wir sind anders.

Das erkennen und das schätzen die Leute auch. Wir versuchen nicht, ein zweites Mnozil Brass zu sein!» Und anders als Mnozil Brass haben die Musiker von Federspiel zwar auch allesamt in Wien studiert, doch «wir kannten uns schon vor dem Studium. In Krems haben wir uns 2004 gegründet – erst dann sind wir nach Wien gegangen.» Ob Wien ein besonders gutes Pflaster für Bläserensembles ist, bejahen die beiden. Das liege aber nicht zwingend an der dortigen «Wiener Musik» beispielsweise, weil das «wieder ein anderes Genre ist». Es gebe in Wien einfach einen grossen Pool an sehr vielen Musikern. «Viele gehen nach Wien. Denn dort ist der Unterricht gut, da kann man lernen, da kann man wachsen.» Die Blasmusikkapellen indes kommen eher nicht aus Wien, erklärt Frédéric. In Wien sei die «Hochkultur» zu Hause. Er spricht es deutlich ironisch in Anführungszeichen. Denn die Bläser kommen eben aus den zahlreichen traditionellen Kapellen. Es finde eine Art «Binnenmigration in die Stadt» statt. Hier schon mischen sich die verschiedenen Ansätze von ganz allein.

Eine Schublade ist eigentlich nicht notwendig. «Wir brauchen keine», sagen die Musiker. «Alpine World Brass» finden sie jetzt so schlecht nicht als Schlagwort. Und doch: «Wir gebrauchen es nicht. Hört es euch an!» Der Überraschungseffekt sei nicht zwingend geplant – es passiert. Und die Erwartungen seien vielschichtig. «Ein Ort wie das Prinzregententheater ist sehr geeignet für unsere Musik», weiss Simon Zöchbauer. Nicht etwa, weil es ein Gegensatz ist, nach dem Motto «Volksmusik im Hochkulturtempel». Er lacht. Sondern weil «wir uns wohlfühlen. Wir können akustisch alles ausreizen. Auch das ‹Leise› ist transportierbar. So behalten wir die Aufmerksamkeit auf uns. Das ist das, was unsere Musik braucht.»

Dass sie heute im Prinzregententheater spielen, während sie sich vor zehn Jahren noch im Fraunhofer Theater vor zehn Besuchern abmühten, sei schlichtweg so. «Man macht das, was man macht», zuckt Frédéric Alvarado-Dupuy mit den Schultern. «Das ist der innere Kreis, den wir beeinflussen können. Der Rest ergibt sich.» Am Anfang habe man schlicht aus der Freude heraus gemacht, bis man seinen eigenen Weg gefunden hat. «Und dann spielt man eben irgendwann im Saal des Wiener Musikvereins. Und natürlich ist man total nervös. Aber man gewöhnt sich daran – im positiven Sinn.» Zöchbauer: «Man erreicht ein neues Plateau. Es ist auch unser Ziel und Anspruch, in solchen Sälen zu spielen.» Da gehe es gar nicht um die Grösse. Man sehe natürlich den «Progress, aber es geht immer um die Musik. Es ist schön, wenn man den Rahmen bekommt, mit seiner Musik zu gestalten. Niemand sagt uns, was wir zu spielen haben. Auch nicht die Leute vom Prinzregententheater. Das ist das Wertvollste.» Aktuell sind sie mit dem Album «Smaragd» unterwegs. Der Name kommt übrigens wie der Bandname Federspiel aus der Weinkunde. Denn beides sind Bezeichnungen für Wachauer Weine des «Verbandes Vinea Wachau Nobilis Districtus». Weine mit der Bezeichnung Federspiel müssen im Kabinettbereich mit einem Mostgewicht ab 17 Grad und einem Alkoholgehalt zwischen 11,5 und 12,5 Prozent liegen. Simon Zöchbauer versucht, bei der Önologiestunde halbwegs ernsthaft zu antworten. Abrupt bricht er ab, wird ernst, schaut einen an. Er lacht: «Das Beste ist: Das muss man alles nicht wissen!» Den Wein nicht zu kennen, macht gar nichts! Der Name Federspiel spricht ja auch so für sich. Feder plus Spiel. «Diese Kombination von Leichtigkeit und Verspieltheit suggeriert schon, was und wer wir sind.» Und wieder spielt man mit den Erwartungen des Publikums. Man sollte sich nie zu sicher sein: «Schwer und hoch können wir auch!» Die letzte Antwort geht in allgemeiner Heiterkeit, die nach dem gelungenen Konzert sowieso nicht grösser sein könnte, unter.

Federspiel: Spitzen Brass Ensemble aus Österreich
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Konzertbesucher aus Giswil am 27. September 2018

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